sport mit diabetes typ 1
Deutschlandweit sind etwa 200.000 Menschen an Diabetes Typ 1 erkrankt. Bei dieser Autoimmunerkrankung kann der Körper kein eigenes Insulin mehr produzieren. Die Folge: der über die Nahrung aufgenommene Zucker kann nicht mehr in die Zellen transportiert werden, um dort in Energie umgewandelt zu werden.
was passiert bei diabetes typ 1?
Vereinfacht gesagt:
Beim Sport aber auch im Alltag verbrauchen wir Energie. Diese kann unser Körper unter anderem aus Glukose gewinnen.
Wir nehmen Glukose (Zucker) über unsere Nahrung auf. Wird diese verdaut, so gelangt der Zucker in unser Blut, wodurch der Blutzuckerspiegel steigt.
Hier kommt nun das Hormon Insulin ins Spiel. Ist der Blutzuckerspiegel hoch (was zum Beispiel nach dem Essen der Fall ist), so schüttet die Bauchspeicheldrüse Insulin aus. Dieses sorgt dafür, dass der Zucker aus unserem Blut in die Zellen aufgenommen wird. Dort kann er dann entweder gespeichert, oder zur Energiegewinnung genutzt werden.
Bei Diabetes Typ 1 kann der Körper kein eigenes Insulin produzieren. Würde die Krankheit unbehandelt bleiben, so würde der Blutzuckerspiegel so stark ansteigen, bis der Erkrankte ins Koma fallen würde und sogar sterben kann.
Das macht deutlich, warum Diabetes Typ 1 Betroffene täglich mehrfach ihren Blutzuckerspiegel messen und Insulin spritzen müssen.
Kleiner Deep Dive: Warum entsteht das Koma?
Ursächlich ist ein Volumenmangel durch zwei Ursachen:
1. Flüssigkeitsverlust über die Nieren
Insulinmangel → Hyperglykämie → Hyperosmolarität → Osmotische Diurese und Polyurie → Flüssigkeits- und Elektrolytverlust → Dehydratation → Hypovolämie
2. Flüssigkeitsverlust über Erbrechen durch Übersäuerung
Insulinmangel → Lipolyse↑ → Hepatische Ketonkörperbildung → Ketose → Metabolische Azidose (Übersäuerung) → Erbrechen → Flüssigkeits- und Elektrolytverlust → Dehydratation → Hypovolämie
Quelle:
https://www.amboss.com/de/wissen/Hyperglykämisches_Koma/
Sind Patienten über Jahre hinweg schlecht eingestellt, so hat das schwerwiegende Folgen für ihre Gesundheit:
Augen: diabetische Retinopathie bis zur Erblindung
Nieren: diabetische Nephropathie bis zum Nierenversagen
Nerven: diabetische Neuropathie und diabetische Polyneuropathie
Herz und Kreislauf: Arteriosklerose (Gefäßschäden) mit steigendem Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte
Füße: diabetischer Fuß (Absterben durch Unterversorgung bei schlechtem Gefäßstatus)
sport als therapie
Heilen kann man die Diabetes Typ 1 Krankheit bislang nicht. Aber mit einer guten Therapie können Patienten einen fast normalen Alltag führen.
In der Therapie spielt auch Sport eine wichtige Rolle, denn Sport
👉 beugt Hypertonie (Bluthochdruck) vor
👉 beugt Adipositas (Fettleibigkeit) vor
👉 vermindert Ketoazidose (Übersäuerung durch Ketonkörperbildung bei Zuckermangel in den Zellen)
👉 Verbessert Dyslipidämie (ungünstige Blutfettverteilung)
👉 Verzögert Retinopathie (Schädigung der Netzhaut im Auge)
👉 Verzögert Mikroalbuminurie (Beeinträchtigung der Filterfunktion der Niere)
👉 verbessert HbA1c (Langzeit- Blutzuckermarker)
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Sport verbessert das kardiovaskuläre Risikoprofil eines Patienten. Und das ist entscheidend, denn kardiovaskuläre Erkrankungen, wie zum Beispiel der Herzinfarkt oder Schlaganfall, sind die führenden Todesursachen bei jungen Patienten mit Diabetes Typ 1.
Jedoch gilt es beim Sport einige Dinge zu beachten.
Entscheidend ist es, immer den Blutzuckerspiegel im Blick zu haben, sodass man weder in eine Hypoglykämie (Unterzucker) noch in eine Hyperglykämie (Überzucker) gelangt.
Prinzipiell ist aber jede Sportart möglich, auch als Leistungssport!
(Ehemalige) Leistungssportler mit Diabetes Typ 1 sind z.B.:
👉 Matthias Steiner (Gewichtheber)
👉 Daniel Schnelting (Sprinter)
👉 Anja Renfordt (Kickboxen)
👉 Claudia Grundmann (Eishockey)
👉 Dimo Wache (Fußball)
welche Faktoren beeinflussen den blutzuckerspiegel während der belastung?
- Art, Intensität und Dauer der Belastung
- Umgebungsbedingungen (Temperatur, Höhe etc.)
- Zeitpunkt, Art und Kohlenhydratgehalt der letzten Mahlzeit
- Aktueller Trainingszustand
- Form der Insulintherapie (Lang-/Kurzwirksames Insulin)
- Injektionsort und Zeitpunkt des Insulins
was passiert bei aerobem training?
Unter aerobem Training versteht man moderate Belastungen, bei denen der Körper Sauerstoff verwendet, um Energie aus Fett und Glukose zu erzeugen. Wir befinden uns hier im Grundlagenbereich.
Als Erstes wird die freie Glukose und ein Teil der im Muskel gespeicherten Glukose aufgebraucht.
Die Folge: der Blutzuckerspiegel sinkt.
Bei Menschen ohne Diabetes wird als Reaktion darauf die Insulinausschüttung gehemmt, sodass der Blutzuckerspiegel konstant bleibt und nicht weiter absinkt. Außerdem wird, unter anderem durch den niedrigen Insulinspiegel, in der Leber neue Glukose produziert (Glukoneogenese). Diese gelangt ins Blut und steht damit den Muskeln als Energieträger zur Verfügung.
Diese Regulation ist bei Diabetikern gestört.
Einmal injiziertes Insulin kann nicht verschwinden. Durch den hohen Insulinspiegel wird dann auch weniger neue Glukose in der Leber produziert.
Der Sportler kann in eine Hypoglykämie (Unterzucker) kommen.
was passiert bei anaerobem training?
Von anaeroben Training sprechen wir bei intensiven Belastungen oberhalb der Schwelle. Um diese Intensität fahren zu können, muss der Körper in kürzester Zeit viel Energie produzieren.
Der Körper gelangt hier in eine Stresssituation. Es werden unter anderem Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol freigesetzt. Diese regulieren die Neuproduktion von Glukose in der Leber nach oben. Es wird also vermehrt neue Glukose gebildet, diese gelangt in das Blut, der Blutzuckerspiegel steigt an. Gesunde reagieren darauf mit einer vermehrten Ausschüttung von Insulin. Das können Diabetiker allerdings nicht, deshalb steigt hier die Gefahr einer Hyperglykämie.
Eine ähnliche Reaktion kann vor Wettkämpfen entstehen. Auch hier wird vor Aufregung Adrenalin ausgeschüttet.
Der Sportler kann in eine Überzuckersituation geraten.
Am frühen Morgen kann ein ähnliches Phänomen auftreten. Hier hat jeder Mensch einen natürliches Hoch des Cortisolspiegels (Stresshormon).
So kann es passieren, dass ein Diabetes Typ 1 Betroffene mit einem hohen Insulinspiegel aufwacht.
Verstärkt werden kann dieser Effekt besonders bei Frauen durch morgendliche Nüchterneinheiten besonders im anaeroben Bereich und bei Sportarten mit hohen Stoßbelastungen (joggen), die den Cortisolspiegel weiter anheben.
was passiert nach dem sport?
Auch bis zu 24h nach der Belastung besteht noch eine Gefahr der Hypoglykämie.
Warum ist das so?
Durch Sport werden sogenannte GLUT-4 Glukosetransporter in die Zellen eingebaut. Mit Hilfe derer ist es möglich, auch ohne Insulin Glukose in die Zellen einzuschleusen.
Da durch den Sport die im Muskel gespeicherte Glukose verbraucht wird, versucht der Körper im Nachhinein die Speicher wieder aufzufüllen. Da die GLUT-4 Transporter noch Stunden nach dem Sport vorhanden sind, wird vermehrt Glukose in die Zellen aufgenommen, auch ohne Insulin. Somit besteht auch Stunden danach noch ein Risiko in eine Hypoglykämie zu gelangen.
Dies kann besonders gefährlich sein, wenn der Patient am Abend Sport treibt und in der Nacht in Unterzucker gelangt, wenn es keiner mitbekommt.
Was kann man dagegen tun?
Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten: entweder man reduziert die Insulindosis oder man isst zusätzlich Kohlenhydrate.
Mehr Kohlenhydrate bedeutet gleichzeitig auch mehr Kalorien. Gerade wenn man das Ziel abnehmen verfolgt, ist dies keine gute Lösung. Deshalb ist es am besten das Training immer rechtzeitig zu planen und die Insulindosis anzupassen.
Ein anderer Tipp wäre es vor dem aeroben Training kurze Sprints zu absolvieren. Dies führt zu oben beschriebener Stressreaktion und hält somit den Blutzuckerspiegel konstant.
Auch das Risiko der Hypoglykämie nach dem Sport wird somit gesenkt.
was gilt es zu beachten?
Vor dem Training:
Blutzuckerspiegel messen:
Der Wert darf vor dem Training weder zu hoch, noch zu niedrig sein
Optimale Ausgangswerte sind:
Bei aeroben Training: 126-180 mg/dl
Bei anaeroben Training: 90-126 mg/dl
Während dem Training:
Bei längerer Trainingsdauer ist es sinnvoll, immer wieder Pausen einzulegen und den Blutzuckerspiegel zu überprüfen
Optimale Werte während dem Training sind 108-144 mg/dl.
Gegebenenfalls muss man einschreiten, um ein Unterzucker oder Überzucker zu vermeiden.
Es ist wichtig, immer Traubenzucker und Insulin dabei zu haben, falls man eine drohende Unter- oder Überzuckerung bemerkt.
Nach dem Training:
Regelmäßiges messen des Blutzuckerwertes ist hier besonders wichtig, denn bis zu 24h nach der Belastung besteht noch eine Gefahr der Hypoglykämie.
Besonders bei Trainingseinheiten am Nachmittag oder Abend besteht die Gefahr, dass über Nacht der Blutzuckerspiegel unbemerkt absinkt.
Um eine nächtliche Unterzuckerung zu vermeiden, ist es daher sinnvoll, am Abend Kohlenhydrate mit einem niedrigen glykämischen Index zu essen, das heißt Ballaststoffreiche, langkettige Kohlenhydrate, die langsam ins Blut transportiert werden. Lebensmittel mit einem niedrigen glykämischen Index sind z.B. Vollkornprodukte, Erbsen, Linsen. Außerdem verlangsamen Ballaststoffe aus Gemüse, sowie Fett (z.B. Öl) die Aufnahme. Eine ausreichende Proteinzufuhr verhindert das „snacken“ nach dem Abendessen.
Gefahren bei training in der höhe
In der Höhe sind die Blutzuckereinstellungen erschwert.
Einerseits besteht eine Gefahr der Hyperglykämie:
Durch eine erhöhte Insulinresistenz
Und durch einen erhöhten Sympathikotonus mit vermehrter Glucosebereitstellung aus der Leber
Und andererseits besteht eine Gefahr der Hypoglykämie
Durch einen verminderten Appetit in der Höhe.
wie vermeidest du unter- oder überzucker?
Es gibt keine allgemein gültigen Zahlen, wie viel Insulin oder Kohlenhydrate nötig sind. Jeder Körper reagiert anders und zusätzlich kommen oben genannte Einflussfaktoren wie die Art und Intensität des Trainings, die Umweltbedingungen etc. dazu.
Wir empfehlen deshalb ein Sporttagebuch zu führen. Hier werden alle gemessenen Werte, aufgenommene Kohlenhydrate sowie die Art des Trainings und gemessener Blutzuckerspiegel aufgeschrieben. Mit der Zeit kann man so die Anpassungen und Reaktionen des eigenen Körpers kennenlernen und eine Routine entwickeln.
Gerade bei Extremsportarten kann eine Unterzuckerung lebensgefährlich sein. Deshalb ist es wichtig, dass jeder Diabetiker seinen eigenen Stoffwechsel gut kennt und vorbereitet ist.
Jedoch reagiert jeder Körper anders und jeder Sportler muss seinen eigenen Weg finden.
zusammenfassung: welches Training wirkt sich wie auf den blutzuckerspiegel aus?
Aerobes Training
(Moderate Intensität, Grundlage)
Glukosetrend: Hypoglykämie
Anaerobes Training
(Hohe Intensität)
Glukosetrend: Hyperglykämie
Gemischt aerobes / anaerobes Training
(Wechselnde Intensität)
Glukosetrend: stabiler bis langfristig steigender Blutzuckerspiegel
Wer sich übrigens keine Sorgen um einen gesunden Lifesytle machen möchte, kann sich gerne unser Coaching ansehen.
quellen
https://menschen-mit-diabetes.de/ratgeber/sport-mit-diabetes-typ-1
https://www.diabetes-news.de/nachrichten/sport-bei-typ-1-diabetes-das-raten-diabetologen
https://www.diabetesde.org/pressemitteilung/diabetes-typ-1-olympia
Bachmann, S., Zumsteg, U., Diabetes und Sport, Pädiatrie (1) 2009, Seite 15 – 18.
https://www.diabetes-ratgeber.net/Gesundheit/Adrenalin-55352.html
https://www.diabetes-online.de/a/insulin-und-seine-vielen-gegenspieler-1766724
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (5) Seite 22-27
https://www.amboss.com/de/wissen/Hyperglykämisches_Koma/